Ein noch größerer Teilchenbeschleuniger

Letzte Woche hat das Europäische Kernforschungszentrum CERN die Pläne für den Bau eines neuen Teilchenbeschleunigers veröffentlicht. Ein 100 km langer Tunnel vollgepackt mit Hightech für den Preis von 20 Milliarden Euro. Es gibt gute Argumente sowohl für als auch gegen den Bau eines solchen Experiments. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht für den riesigen Teilchenbeschleuniger, dass wir Neues über die Welt der Elementarteilchen lernen können. Dagegen spricht, dass wir eigentlich jetzt schon alle Teilchen des Standardmodells der Physik kennen. Bis 2012 fehlt nur das Higgs Boson; das wird jedoch in diesem Jahr am CERN von dem zurzeit größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC), entdeckt. Für einen noch größeren Teilchenbeschleuniger spricht, dass die Physik im Zuge der Entwicklung der erforderlichen Technologien viele technologische Fortschritte erwartet. Immer wieder wird das Internet als Beispiel herangezogen, dessen Grundlagen von CERN-Wissenschafter/innen vor 4 Jahrzehnten entwickelt werden.

Am Ende des Tages geht’s ums Geld: Die Befürworter/innen meinen, dass das Geld gut investiert ist, wenn man es in ein riesiges Experiment packt; die Gegner/innen meinen, dass man mit dieser riesigen Summe einen Haufen kleinere – jedes davon trotzdem noch etliche Millionen Euro kostende – Projekte fördern kann. Die Kritisierenden empfehlen, das Geld in ihre jeweiligen eigenen Projekte zu stecken, die für alle Wissenschafter/innen am wichtigsten, relevantesten, und sowieso am schlechtesten finanziert sind. Aber würde das Geld wirklich an andere Projekte fließen, wenn es nicht für einen neuen Teilchenbeschleuniger ausgeben wird?

Schon in den 1970er Jahren beginnen in den USA die ersten Überlegungen für ein ähnliches Experiment, dem Superconducting Super Collider (SSC), der mit dem später am CERN gebauten LHC vergleichbar ist. Bis in die 1990er Jahre werden einige Milliarden Dollar in die Vorarbeiten investiert. Der SSC wird in den USA mit den gleichen Argumenten abgelehnt, die man auch jetzt ins Treffen führt: Das Geld soll lieber für viele kleinere Experimente ausgegeben werden. Nichts dergleichen findet statt. Die eingesparten Milliarden fließen nicht in konkrete wissenschaftliche Projekte, sondern in das Stopfen von Budgetlöchern.

Die Politik will Erfindungen sehen, die sich wirtschaftlich nutzen lassen; die Wissenschaft an sich interessiert dort kaum jemanden. Lange bevor SSC oder LHC zur Diskussion stehen, wird der erste Teilchenbeschleuniger in den USA gebaut – dieselben Diskussionen. In den damaligen pro-und-kontra Hearings im Senat, gibt einer der Befürworter, der Physiker Robert R. Wilson, eine mittlerweile legendäre Antwort auf die Frage, ob der Teilchenbeschleuniger im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion Vorteile bringt:

„Only from a long-range point of view, of a developing technology. Otherwise, it has to do with: Are we good painters, good sculptors, great poets? I mean all the things that we really venerate and honor in our country and are patriotic about. In that sense, this new knowledge has all to do with honor and country but it has nothing to do directly with defending our country except to help make it worth defending.“

Meine Übersetzung: „Nur von einem Langzeitstandpunkt einer sich entwickelnden Technologie. Ansonsten hat es damit zu tun: Sind wir gute Maler, gute Bildhauer, großartige Dichter? Ich meine, all die Dinge, die wir in unserem Land ehren und verehren und die unseren Patriotismus begründen. In diesem Sinn hat neues Wissen alles mit Ehre und Land zu tun, aber nicht direkt damit, unser Land zu verteidigen, außer es Wert zu machen, verteidigt zu werden.“

Der Bau des neuen CERN Teilchenbeschleunigers soll 2050 abgeschlossen sein; Ergebnisse der geplanten Experimente werden in den darauffolgenden Jahren erwartet. Im Jahr 2050 bin ich 90. Wenn ich dann überhaupt noch lebe, bin ich vielleicht so verkalkt, dass ich sowieso nicht mehr verstehen kann, was am CERN vielleicht gefunden wird. Es macht mich ein Bisschen traurig, dass meine Chancen gering sind, irgendwann wirklich zu verstehen – Life, the Universe, and Everything.

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