Nature versus Nurture – Quantitativ

Jetzt ist es also offiziell: 40% Nature, 60% teilen sich zwischen sozioökonomischen Faktoren, also das eigentliche Nurture, und der Umwelt, also etwa Einflüsse von Umweltverschmutzung, Klimawandel, Zigarettenrauch, etc. (https://www.nature.com/articles/s41588-018-0313-7). Eine Gruppe von Wissenschafter/innen hat diese Ergebnisse aus den Versicherungsdaten von 45 Millionen Amerikanern herausgerechnet; unter diesen waren 56.000 Zwillingspaare und 700.000 Geschwisterpaare. Den größten Einfluss haben die Gene auf neurologische Erkrankungen, den geringsten Einfluss haben Gene auf Erkrankungen des Bindegewebes. Das macht es eher unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich, dass eine Erkrankung wie Rheuma in der Familie vererbt wird. Den größten Einfluss auf krankhaftes Übergewichtigkeit, ein Body Mass Index von größer als 30, hat der ZIP Code – die Postleitzahl, also wo die Leute wohnen. Wenn mein Nachbar übergewichtig ist steigert das mein Risiko, ebenfalls übergewichtig zu sein. Übergewicht wird in einer Gemeinschaft zu einer sozial akzeptierten Sache und führt zu keiner „Sozialen Bestrafung,“ also einer Missachtung von oder sogar einem Ausschluss aus der Gesellschaft.

Alles schön und gut, aber solange wir nicht wissen, welche Gene – oder Genkombination – für Krankheiten verantwortlich sind wird es uns nicht helfen, zu wissen, dass eine bestimmte Erkrankung eine 40%ige Chance hat, von Genen abhängig zu sein. Aber zumindest kann man sich bei solchen Krankheiten auf die genetische Erforschung konzentrieren, während man bei anderen Krankheiten eher die Erforschung der wahrscheinlicheren Ursachen an den Anfang stellt. Trotzdem bedeuten auch diese Zahlen wieder, dass es immer eine Kombination von Einflüssen ist, die krank machen: Die genetische Lotterie der Natur; Nurture Faktoren wie Erziehung, Schule, Familie, Wohnort, also der Gesellschaft im Allgemeinen; und Umweltfaktoren.

Am leichtesten sind wohl die Umweltfaktoren zu beeinflussen – oder auch nicht. Da dort alles hineinfällt, was mit Klimawandel zu tun hat, gibt es den massiven Widerstand von mächtigen Industrielobbys und den von diesen finanzierten Politiker/innen, vor allem am rechten Ende des politischen Spektrums. Die Familie zu verändern ist ein Generationsprojekt. Es hat hundert Jahre gedauert, um in der westlichen Welt von der Schwarzen Pädagogik zu einer mehr aufgeklärten Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu kommen. Und selbst das hat sich nicht in alle Schichten der Gesellschaft durchgesetzt. In anderen Teilen der Welt gelten nach wie vor streng patriarchalische Regeln: Kinder und Frauen sind Eigentum der Männer, mit denen diese machen können was sie wollen und die dem Patriarchen unhinterfragte Loyalität schuldig sind. Und wenn kleine Mädchen in einen Ganzkörperschleier verpackt werden, ist das eine rechtmäßige Unterdrückung, weil es in dieser Kultur eben so üblich ist.

Wenn es um die Umwelt und die Familie geht, wären Änderungen erreichbar. Da geht es mehr um die Überzeugungsarbeit – oder darum, dass die älteren Generation, die nicht mehr überzeugt werden können, aussterben und dadurch jüngere an die Macht kommen. Aber wenn es um Gene und damit um Wissenschaft geht, hilft Überzeugungsarbeit nicht wirklich. Entweder wir haben die entsprechenden Technologien – oder eben nicht. Wir sind noch weit davon entfernt, aus dem Genom eines Menschen dessen Krankheiten herauszulesen. Genauso wenig können wir vorherzusagen, mit welchen Krankheiten Aufgrund bestimmter genetischer Voraussetzungen zu rechnen sein wird. Selbst wenn das möglich wäre gibt es jedoch zurzeit kaum etwas, das wir dagegen tun können. Ja, im Prinzip gibt es CRISPR und wir könnten jedes einzelne Gen korrigieren. Und wenn es hunderte Gene sind, müssen wir eben hunderte Gene korrigieren. Das müsste alles in Embryonalen Stammzellen passieren, aus denen dann ein Mensch entsteht. Das sind die genetischen Veränderungen, die eigentlich die gesamte Menschheit betreffen, weil sie an die Nachkommen weitervererbt werden, und daher ethisch und moralisch äußerst kontrovers sind.

Es wird also für’s erste wohl bei den philosophischen Betrachtung über Nature & Nurture bleiben.

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